Aufnahmen aus dem Inneren eines Marineschiffs im Hafen der Inselhauptstadt Mytilini. Seit Tagen harren hier mindestens 500 Menschen aus.
Die Polizei bringt alle Geflüchteten, die Lesbos ab dem 1. März erreichen, auf dieses Schiff, um sie irgendwann aufs griechische Festland zu bringen. Von dort sollen sie in die Türkei oder ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Denn Griechenland lehnt einen Monat lang sämtliche Asylanträge ab.
Seit Ende Februar kamen Hunderte Menschen mit Schlauchbooten über das Meer aus der Türkei. Die Stimmung auf der Insel kippte, Rechtsextreme attackierten Geflüchtete, freiwillige Helfer und Journalisten.
Nahe dem Ort Skala Sikamineas im Norden der Insel halten sich derzeit 42 weitere Geflüchtete auf, auf einer Wiese direkt an der Küste. Die Behörden lassen die Menschen hier, unter freiem Himmel, ohne jede Infrastruktur, lediglich das UNHCR stellte zwei Zelte auf. Ein Zeichen der Abschreckung, vermutet ein Sprecher des Hilfswerks. Einige suchen Schutz vor dem Wetter unter dem Vordach einer alten christlich-orthodoxen Kirche.
Giorgos Christides, Reporter DER SPIEGEL
"Seit dem 1. März, nachdem die Krise mit der Türkei eskalierte, als Präsident Erdogan die Grenzen für Migranten geöffnet hat, gibt es zwei Kategorien von Asylsuchenden. Jene, die seit dem 1. März kamen, haben keinerlei Asylrecht. Sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Sie haben Angst, keine Chance zu haben in Griechenland oder Europa zu bleiben. Nachdem sie eine sehr gefährliche Reise hierher hinter sich haben, könnten sie bald dorthin gebracht werden, woher sie flohen."
Einer der Geflüchteten kommt ursprünglich aus Aleppo und lebte eine zeitlang in der Türkei.
Geflüchteter:
"Meine Heimat ist ein Kriegsgebiet, ich bin geflohen. Ich hatte Angst. In der Türkei ist es so: Wenn du als Syrer irgendwie Probleme machst, redet die Polizei gar nicht erst mit dir. Sie nehmen dich fest und bringen dich zurück nach Syrien. In den Krieg hinein. Ich habe Angst davor, nach Syrien zurück zu müssen. Jeder auf der Welt weiß doch, wieviele Menschen in Syrien sterben, jeden Tag. Deswegen bin ich nach Europa gekommen."
Für den Moment hat sich die Lage hier nur scheinbar etwas beruhigt.
Giorgos Christides, Reporter DER SPIEGEL
"Was viele Menschen hier überrascht: Seit fünf Tagen kommen hier auf Lesbos, der Hauptroute von der Türkei in die EU, überhaupt keine neuen Asylsuchenden an. Nach SPIEGEL-Informationen hat die türkische Küstenwache die klare Anweisung erhalten von Präsident Erdogan, dass keiner, der sich hier ein paar Kilometer entfernt an der Küste gegenüber aufhält, die Seegrenze überqueren darf. Ob es sich dabei um einen Trick von Erdogan handelt, der heute in Brüssel ist und sich einen neuen Deal mit der Europäischen Union erhofft, oder ob sich die Lage wieder ändert, wenn dass Wetter besser wird und wieder mehr Menschen nach Lesbos kommen werden, das müssen wir abwarten."