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Die Grenzen nach Europa sind dicht: Ein Flüchtling an der serbisch-ungarischen Grenze schaut vor dem geschlossenen Grenzübergang hinüber in die EU (Foto: picture alliance/ dpa/ Fischer)

Panzer, Stacheldraht und Schlagstöcke – mit der Ausstellung GRENZERFAHRUNGEN zeigen PRO ASYL, EAK und pax christi die brutalen Folgen von Abschottung und Aufrüstung und fordern: Menschenrechte durchsetzen, Flüchtlinge schützen!

Fünf Meter hohe Stahl­tei­le, Wach­tür­me, Nato-Draht, Wär­me­bild­ka­me­ras an der Gren­ze zwi­schen Grie­chen­land und der Tür­kei. Ein wund­ge­prü­gel­ter Rücken mit roten Strie­men in Bos­ni­en. Tür­ki­sche Sol­da­ten mit deut­schen Leo­pard 2‑Panzern an der tür­kisch-syri­schen Gren­ze. Das sind nur drei Fotos aus der neu­en Aus­stel­lung »GRENZERFAHRUNGEN. Wie Euro­pa gegen Schutz­su­chen­de auf­rüs­tet«, mit der PRO ASYL, die Evan­ge­li­sche Arbeits­ge­mein­schaft für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung und Frie­den (EAK) und die inter­na­tio­na­le katho­li­sche Frie­dens­be­we­gung pax chris­ti zei­gen, wie die Poli­tik der Abschot­tung und Auf­rüs­tung an den EU-Außen­gren­zen funk­tio­niert – und wel­che bru­ta­len Fol­gen das für die Men­schen hat, die in Euro­pa Schutz suchen: »Sie wol­len tat­säch­lich ster­ben, um den Schmerz zu stop­pen. Sie wol­len auf­hö­ren, sich so zu füh­len«, wird auf einer der Tafeln ein Kin­der­psy­cho­lo­ge zitiert, der über die Situa­ti­on vie­ler sui­zid­ge­fähr­de­ter Kin­der im Flücht­lings­la­ger Kara Tepe auf Les­bos berichtet.

Forderungskatalog an die künftige Bundesregierung

So zei­gen die 16 Tafeln der Aus­stel­lung und das umfang­rei­che Begleit­ma­te­ri­al die gan­ze Bru­ta­li­tät und Maschi­ne­rie der »Fes­tung Euro­pa«: Tex­te, Gra­fi­ken und Fotos schla­gen den Bogen von den Flucht­ur­sa­chen und der Zusam­men­ar­beit mit Nicht-EU-Staa­ten in der Flücht­lings­ab­wehr über die Abschot­tung und zuneh­men­de Auf­rüs­tung an den Gren­zen bis hin zu gewalt­tä­ti­gen Push­backs und dem New Pact on Migra­ti­on and Asyl­um, mit dem die Euro­päi­sche Uni­on »ihre Plä­ne zur Abwehr von Flücht­lin­gen mas­siv vor­an­treibt«, wie es in der Aus­stel­lung heißt: »Das Kal­kül: Das Recht auf Asyl kann nicht mehr wahr­ge­nom­men wer­den.« Benannt wer­den dabei auch deut­sche Fir­men, die von den Grenz­ge­schäf­ten profitieren.

Die drei Frie­dens- und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, die mit die­ser Pla­kat­se­rie und der sie beglei­ten­den Kam­pa­gne erst­mals ein sol­ches Koope­ra­ti­ons­pro­jekt gestar­tet haben, rufen mit die­ser Aus­stel­lung dazu auf, die zuneh­men­de Mili­ta­ri­sie­rung an den euro­päi­schen Außen­gren­zen sowie die Ver­let­zung der Men­schen­rech­te von Geflüch­te­ten zu stop­pen. Das muss nach Ansicht von PRO ASYL, EAK und pax chris­ti ein zen­tra­les Ziel jeder künf­ti­gen Bun­des­re­gie­rung sein und im neu­en Koali­ti­ons­ver­trag nach der Bun­des­tags­wahl im Sep­tem­ber fest ver­an­kert werden.

»Es geht dar­um, wie unse­re Gesell­schaft aus­se­hen soll: Eine Gesell­schaft, die auf Aus­gren­zung, Abschot­tung und auto­ri­tä­re Struk­tu­ren setzt – oder die welt­of­fen, demo­kra­tisch und human ist«

Gemein­sa­me Erklä­rung von PRO ASYL, pax chris­ti und EAK

Nach Ansicht der Orga­ni­sa­tio­nen geht es dabei nicht nur um die Rech­te der Flücht­lin­ge. Es gehe dar­um, »wie unse­re Gesell­schaft aus­se­hen soll: Eine Gesell­schaft, die auf Aus­gren­zung, Abschot­tung und auto­ri­tä­re Struk­tu­ren setzt – oder die welt­of­fen, demo­kra­tisch und human ist«, heißt es in einer gemein­sa­men Erklärung.

In ihrem Posi­ti­ons­pa­pier for­dern die drei Orga­ni­sa­tio­nen einen Para­dig­men­wech­sel in der EU-Grenz­po­li­tik: Dazu gehö­ren unter ande­rem ein sofor­ti­ger Stopp der ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen Geflüch­te­ter an den EU-Gren­zen, die Gewähr­leis­tung des Zugangs zum Recht auf Asyl, ein Ende der Koope­ra­ti­on und Zusam­men­ar­beit mit der Tür­kei und der liby­schen Küs­ten­wa­chen zur Flücht­lings­ab­wehr sowie der Stopp von Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Tür­kei und Sau­di-Ara­bi­en. »Deutsch­land braucht ein Rüs­tungs­export­kon­troll­ge­setz«, heißt es im Forderungskatalog.

Das Sterben auf dem Meer muss beendet werden!

Eben­so leh­nen die drei Frie­dens- und Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen das der­zeit ver­han­del­te Migra­ti­ons­pa­ket der EU-Kom­mis­si­on ab: Dies bedeu­te eine Aus­höh­lung des Rechts auf Asyl und baue die Koope­ra­ti­on mit Dritt­staa­ten wei­ter aus.

544 Mio. €

beträgt das Bud­get zur Grenz­si­che­rung von Fron­tex. 2006 lag es noch bei 19 Mio. Euro.

Deut­lich benannt wer­den in dem For­de­rungs­ka­ta­log auf der Home­page auch erneut die Fol­gen der Abschot­tung: »Das Ster­ben auf dem Meer muss been­det wer­den. Über 20.000 Boots­flücht­lin­ge star­ben seit 2014 im Mit­tel­meer.« Nötig sei eine euro­päi­sche, staat­lich orga­ni­sier­te Seenotrettung.

Nach Ansicht von PRO ASYL, EAK und pax chris­ti befin­det sich der­zeit auch die NATO im Ein­satz gegen Flücht­lin­ge: Das deut­sche Mari­ne­boot »Wer­ra« kreu­ze seit Anfang des Jah­res im Auf­trag des Bünd­nis­ses im Mit­tel­mehr, um zu einem lücken­lo­sen Lage­bild in der Ägä­is bei­zu­tra­gen. Eine wich­ti­ge Rol­le spie­le dabei im zen­tra­len Mit­tel­meer die See­über­wa­chung durch die EU-Agen­tur Fron­tex, deren Bud­get zur Grenz­si­che­rung von 19 Mil­lio­nen Euro 2006 auf mitt­ler­wei­le 544 Mil­lio­nen gestie­gen sei.

Im Schat­ten der Pan­de­mie haben die EU-Staa­ten im ver­gan­ge­nen Jahr min­des­tens 40.000 Schutz­su­chen­de an den euro­päi­schen Außen­gren­zen in ille­ga­len Push­backs zurückgewiesen.

Laut UN-Flücht­lings­hilfs­werk UNHCR sind wäh­rend der Pan­de­mie mehr als 15.000 Boots­flücht­lin­ge in die Fol­ter­la­ger Liby­ens zwangs­wei­se zurück­ge­bracht wor­den, heißt es wei­ter. Im Schat­ten der Pan­de­mie hät­ten die EU-Staa­ten im ver­gan­ge­nen Jahr zudem min­des­tens 40.000 Asyl­su­chen­de an den euro­päi­schen Außen­gren­zen in ille­ga­len Push­backs zurückgewiesen.

Dar­auf machen PRO ASYL, EAK und pax chris­ti unter Ver­weis auf einen Bericht in der bri­ti­schen Zei­tung Guar­di­an auf­merk­sam. Dabei sei­en rund 2000 Men­schen zu Tode gekom­men. Gleich­zei­tig belie­fer­ten aber euro­päi­sche Rüs­tungs­kon­zer­ne wei­ter­hin auto­ri­tä­re und dik­ta­to­ri­sche Staa­ten wie die Tür­kei und Sau­di-Ara­bi­en mit Rüs­tungs­gü­tern – das tra­ge maß­geb­lich dazu bei, dass Men­schen flüchteten.

Min­des­tens 15.000

Boots­flücht­lin­ge sind seit Aus­bruch der Pan­de­mie in die Fol­ter­la­ger Liby­ens zurück­ge­bracht worden

Die Ausstellung kann bestellt werden – machen Sie mit!

Die Aus­stel­lung »GRENZERFAHRUNGEN« umfasst 16 Pla­ka­te, die in Bil­dern, Tex­ten und Gra­fi­ken die Bru­ta­li­tät der »Fes­tung Euro­pa« vor Augen füh­ren. Inter­es­sier­te Grup­pen, Ver­bän­de und Gemein­den kön­nen sie erwer­ben und online oder off­line nut­zen. Die Pla­ka­te in DIN A 1 kön­nen samt Begleit­bro­schü­ren ab sofort bestellt wer­den, aus­ge­lie­fert wer­den sie ab Anfang Juni.

Dane­ben haben die drei Koope­ra­ti­ons­part­ner unter der Rubrik Han­deln einen Mus­ter­brief ent­wor­fen, der an Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te und Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den neu­en Deut­schen Bun­des­tag ver­schickt wer­den kann. Dar­in heißt es: »Ein Euro­pa, das den Schwächs­ten ihre Rech­te nimmt, das sie ille­gal und gewalt­tä­tig zurück­schiebt und das kriegs­füh­ren­de Staa­ten mit Waf­fen ver­sorgt, kann nicht Teil der Lösung sein, son­dern ist selbst Teil des Problems.«

Bei der Eröff­nung der Schau Mit­te Mai im Haus am Dom in Frank­furt am Main spra­chen Vertreter*innen der drei Orga­ni­sa­tio­nen über die Schau und ihre For­de­run­gen, zu sehen im Video.

(wr)